Management-Wissensspeicher
Ideenbewertung
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Ideenbewertung
< Ideenfindung | Innovationsplanung | Konzeptentwicklung >
Die Bewertung und Vorauswahl der Produktvorschläge hat die Aufgabe, die gefundenen Ideen zu Produktgrobkonzepten zu verdichten und daraus diejenigen Vorschläge auszuwählen, die für das Unternehmen den größten Erfolg versprechen. Die Auswahl kann durch die verschiedenen qualitativen Bewertungsmethoden erfolgen, die in Abschnitt 2.4 vorgestellt wurden. Wenn sehr viele Ideen zur Auswahl anstehen, ist ein stufenweises Bewertungsverfahren zweckmäßig, bei dem die Schärfe der Kriterien sowie der Umfang und die Tiefe der berücksichtigten Informationen in Abhängigkeit vom Konkretisierungsgrad der Produktideen schrittweise erhöht wird.
Beispiel: Ideenbewertung und -auswahl Hirschmann
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Zur effizienten Bewertung und Auswahl der 200 vorliegenden Ideenbeschreibungen wurde ein mehrstufiges, in den Methoden immer detaillierter werdendes Vorgehen gewählt:
- Grobauswahl: In der ersten Bewertungsstufe wurde beurteilt, ob Hirschmann unter entwicklungs- und fertigungstechnischen Gesichtspunkten überhaupt in der Lage sei, die Ideen zu realisieren. Diese Beurteilung wurde vom internen Projektteam vorgenommen und von Führungskräften aus Entwicklung und Fertigung auf Stichhaltigkeit überprüft. 55 Ideen, für die eine Realisierung nicht möglich erschien, wurden ausgeschieden.
- Basisauswahl: In der zweiten Stufe erfolgte eine intuitive Gesamtbeurteilung der verbliebenen 145 Ideen anhand der Bewertungskategorien, die bereits zur Beurteilung der Suchfelder gedient hatten (vgl. Suchfeldanalyse). Dazu bildeten die Projektbearbeiter von Hirschmann und dem beteiligten Forschungsinstitut ein fünfköpfiges Bewertungsteam, das mit einfacher Mehrheit über die Weiterbearbeitung oder das Ausscheiden einer Idee entschied. In diese Entscheidung wurde zur Gegenkontrolle eine Bewertung durch Experten des Forschungsinstituts einbezogen. Die Anzahl der Ideen reduzierte sich durch dieses Vorgehen auf 36. Diese Ideen wurden der Hirschmann-Geschäftsleitung zur Genehmigung vorgelegt.
- Feinauswahl: Zur Beurteilung der verbliebenen Ideen wurde eine Punktebewertung durchgeführt. Als Bewertungskriterien dienten die von Hirschmann bei der Festlegung der Innovationsstrategie formulierten Ziele für die neue Produktfamilie (vgl. Beispiel 6.1). Um die Bewertungskriterien in eine für Hirschmann relevante Gewichtung zu bringen, wurden sie durch die Geschäftsleitung einem Paarvergleich unterzogen, der anschließend mit Hilfe des Matrixverfahrens ausgewertet wurde (vgl. Abschnitt 2.4.3, insbesondere Bild 2.21). Nach der Gewichtung wurden für die acht Bewertungskriterien Richtlinien zur Punktever-gabe festgelegt. Anhand der Punktevergaberichtlinien wurden von der erweiterten Hirsch¬mann-Geschäftsführung die 36 Einzelideen einer intuitiven Bewertung auf Grundlage der Erfahrung dieses Personenkreises unterzogen. Als Ergebnis der Bewertung wurden die 18 besten Ideen zur weiteren Bearbeitung ausgewählt.
- Kurzmarktanalysen: Für die verbliebenen 18 Ideen wurden Kurzanalysen der Markt- und Wettbewerbssituation durchgeführt. Die Erarbeitung der Kurzmarktanalysen wurde zwi-schen Kernprojektteam, Hirschmann-Marktforschungsabteilung und externem Forschungsinstitut verteilt. Die Kurzmarktanalysen hatten einen Umfang von jeweils fünf bis zehn Seiten und wurden mit einem Aufwand von rund einer Mannwoche pro Idee erstellt. Auf Grundlage der Kurzmarktanalysen wurde die Punktebewertung der Feinauswahl mit den gleichen Bewertungsvorschriften und Gewichtungen, aber nunmehr auf einer fundierteren Informationsbasis wiederholt. Daraus wurden die vier besten Vorschläge zur weiteren Bearbeitung ausgewählt. Neun Monate nach Projektstart wurde an diesem Punkt aus Geheimhaltungsgründen die Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut beendet und auch die Mitarbeiterinformationen über den Stand der Projektarbeit wurden bis zur Markteinführung zurückgestellt.
- Endauswahl: Für die verbliebenen vier Vorschläge wurden jetzt detaillierte Markt- und Durchführbarkeitsstudien von drei Monaten Dauer pro Idee durchgeführt. Daraus wurden Marketing- und Technikkonzepte abgeleitet und Wirtschaftlichkeitsrechnungen durchgeführt. Am Ende wurden Einbruchmeldesysteme als neue Produktfamilie ausgewählt und da-zu ein Entwicklungsprojekt begonnen. Die Markteinführung erfolgte 1977. Als weitere Produktgruppe folgte einige Jahre später ein Steckverbindungsprogramm für die optische Nachrichtentechnik (Glasfasertechnik). Außerdem wurden aufgrund des Projektes vier weitere Produkte zur Ergänzung des bestehenden Programms auf den Markt gebracht.
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Kriterien und Punktevergabe bei Neuproduktbewertungen
Entscheidend für die Qualität der Ideenauswahl sind die zur Bewertung verwendeten Kriterien sowie deren Gewichtung und die zur Punktevergabe verwendeten Bewertungsschlüssel. Das Bewertungssystem muß sich dabei an den Erfolgsfaktoren für Innovationsvorhaben und an den unternehmensspezifischen Innovationszielen orientieren. In der Literatur wurden dazu eine Reihe möglichst allgemeingültig gehaltener Kriterienkataloge veröffentlicht. Die Tabelle zeigt exemplarisch ein solches Bewertungsschema.
In der Praxis erfolgen Auswahlentscheidungen meist intuitiv im Rahmen von Gruppendiskussionen. Systematische Punktebewertungen und Marktanalysen zur Auswahl der Ideen sind eher selten. Diese Vorgehensweise ist äußerst problematisch und führt häufig zu mangelhaften Auswahlentscheidungen (Meffert 1998, S. 418). In mehreren empirischen Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß durch die Anwendung analytischer Bewertungsverfahren die Rate fehlerhaft ausgewählter Produktvorschläge, die später zu Flops führen, deutlich reduziert werden kann. Zwar steigt dabei auch die Wahrscheinlichkeit, potentiell erfolgreiche Produktvorschläge abzulehnen. Die Ausscheidung eines einzelnen erfolgsträchtigen Vorschlags ist jedoch hinnehmbar, wenn durch das Aus-wahlverfahren genügend andere, erfolgsträchtige Ideen erkannt und weiterverfolgt werden. Insgesamt sind die besten Auswahlentscheidungen dann zu erwarten, wenn
- mit einfachen Punktebewertungsverfahren bei jedem Bewertungskriterium ein bestimmter Mindestpunktwert erreicht werden muß,
- bei der Auswahl nur vier bis sechs zentrale Bewertungskriterien betrachtet werden, die dafür aber mit einem höheren Aufwand recherchiert und analysiert werden.
Nutzwertanalysen mit umfangreichen Kriterienkatalogen sind bei Vorauswahlentscheidungen somit nicht erforderlich und zu aufwendig. Sie können jedoch in erweiterter Form, als Kosten-Nutzen-Analysen oder als technisch-wirtschaftliche Bewertungen, die in den folgenden Phasen angestellten Wirtschaftlichkeitsanalysen unterstützen und dabei zu ausgewogeneren und transparenteren Entscheidungen beitragen.
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