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Ideenfindung

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Ideenfindung

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In der Ideenfindungsphase sollen konkrete Ansatzpunkte für Innovationen erarbeitet werden. Da die Ideenausfallrate während des Innovationsprozesses sehr hoch ist, benötigt man möglichst viele kundennahe und originelle Ideen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit für einen Markterfolg zu steigern.

Zur Innovationsideenfindung können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Die folgende Tabelle gibt dazu einen Überblick.

Methoden zur Findung von Innovationsideen

Nach dem Neuheitsgrad der gefundenen Ideen unterscheidet man zwischen Methoden der Ideensammlung und Methoden der Ideenproduktion. Außerdem unterscheidet man nach der Herkunft der Ideen zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Ideenquellen. Der einfachste Weg der Innovationsideenfindung ist die systematische Sammlung und Auswertung vorhandener oder leicht zu beschaffender Informationen. Auf diese Weise kann mit relativ geringem Aufwand bereits eine Anzahl von Innovationsalternativen erfaßt werden. Die Vorgehensweise hat jedoch den Nachteil, daß die meisten dieser Ideen, insbesondere wenn sie aus externen Quellen stammen, auch anderen (z. B. Wettbewerbern) ohne größere Probleme zugänglich sind und daß die Ideen eher einen geringen Neuheitsgrad aufweisen. Die Ideensammlung muß daher durch Verfahren zur Generierung bzw. Produktion neuartiger Ideen ergänzt werden. Die gezielte Generierung neuartiger Ideen ist zwar aufwändiger, führt aber auch zu originelleren Ideen als die reine Ideensammlung.

Auch bei der Innovationsideenfindung sollte daher systematisch vorgegangen werden. Als zweckmäßig hat es sich erwiesen, zunächst die Kenntnisse in den ausgewählten Suchfeldern zu vertiefen, dann schlecht gelöste Kundenprobleme in den Suchfeldern zu ermitteln und schließlich gezielt nach Ideen zur Lösung dieser Kundenprobleme zu suchen (Geschka 1992).

Vertiefung der Kenntnisse in den ausgewählten Suchfeldern

Zur Vorbereitung auf die eigentliche Ideenfindung sind die Kenntnisse in den ausgewählten Suchfeldern zu vertiefen. Dabei geht es insbesondere darum, längerfristige Trends zu erkennen und zu analysieren, aus denen sich Chancen für neue Marktlücken in den betreffenden Segmenten ergeben könnten, insbesondere

  • demographische Strukturveränderungen,
  • Verhaltens- und Geschmacksveränderungen der Verbraucher,
  • zu erwartende gesetzliche Vorschriften,
  • branchentypische, technische und organisatorische Probleme,
  • neue technologische Entwicklungen,
  • Strategien der Wettbewerber im Suchfeld.

Informationsquellen dafür sind hauptsächlich die Auswertung interner und externer Veröffentlichungen sowie sekundärstatistischer Quellen.

Ermittlung schlecht gelöster Kundenprobleme

Durch die Identifikation schlecht gelöster Kundenprobleme soll eine hohe Kundennähe der Innovationsideen gewährleistet werden. Verbreitete Methoden hierzu sind Kunden- und Expertenbefragungen sowie die Analyse der Stärken und Schwächen von Wettbewerbsprodukten. Auch die in Abschnitt 2.2 dargestellten Problemanalysetechniken können eingesetzt werden. Zu einem sachgerechten Methodeneinsatz ist es zweckmäßig zwischen folgenden Typen von Kundenproblemen zu unterscheiden:

  • Originäre und abgeleitete Kundenprobleme
  • Aktuelle und latente bzw. potentielle Kundenprobleme

Originäre Probleme betreffen dauerhafte, unmittelbar vorhandene Probleme der Kunden. Abgeleitete Probleme beziehen sich auf die jeweilige Lösungstechnik für das übergeordnete, originäre Problem. Ihre Existenz ist daher von der Verwendung der betreffenden Lösungstechnik abhängig. Man unterscheidet verschiedene Stufen abgeleiteter Probleme. Je höher die Ableitungsstufe, um so eher kann bei einer technologischen Veränderung das Problem aufhören, zu bestehen, d. h. eine darauf gerichtete Problemlösung überflüssig werden (vgl. Gälweiler 1980).

Beispiel: Originäre und abgeleitete Probleme (Nütten 1978)
Originäres Problem:Frische Nahrungsmittel konservieren
Originäre Lösung:Tiefkühlgerät
Abgeleitetes Problem 1:Verpackung der Nahrungsmittel
Lösung Stufe 1:Schachteln und Tüten
Abgeleitetes Problem 2:Luftdichter Verschluß
Lösung Stufe 2:Schweißgerät für Haushalt
Abgeleitetes Problem 3:Schweißbares Material
Lösung Stufe 3:Spezialfolienschlauch für Schweißgeräte

Je grundlegender und dauerhafter eine Innovation sein soll, desto stärker sind für die Innovationsideenfindung originäre Kundenprobleme oder Probleme auf möglichst niedriger Ableitungsstufe zu bevorzugen. Probleme auf einer höheren Ableitungsstufe führen demgegenüber nur zu inkrementalen "Mini-Innovationen", können nichtsdestotrotz den Abnehmern aber auch einen großen Nutzen stiften. Außerdem sind die Ansatzpunkte für solche Mini-Innovationen meist sehr viel zahlreicher sowie schneller und kostengünstiger zu realisieren als bei neuen Lösungen für originäre Probleme.

Die Innovationsideenfindung darf sich im weiteren nicht nur auf die von den Kunden geäußerten aktuellen Probleme beschränken, sondern muß auch latente und potentielle Kundenprobleme einbeziehen. Zum Erkennen solcher, dem Kunden noch nicht bewußter, Probleme sind Kundenbefragungen nicht ausreichend. Welcher Verbraucher hätte 1980 bei einer Befragung zu seinen Konsumwünschen beispielsweise ein Mobilte- lephon, einen Mikrowellenherd, einen CD-Player oder ein Telefaxgerät für den Privatgebrauch genannt. Innovative Unternehmen müssen ihren Kunden daher voraus sein und Lösungen für deren noch verborgene Wünsche anbieten. Dies erfordert eine eingehende Beschäftigung mit Bedürfnisstrukturen, Lebensstilen und Wunschträumen von Kunden heute und in der Zukunft. Hierzu werden folgende Instrumente eingesetzt (vgl. Kleinschmidt u. a. 1996, S. 119ff., Hamel/Prahalad 1992):

  • Gemeinsame Entwicklungsbesprechungen und Entwicklungskooperationen mit wichtigen Kunden.
  • Regelmäßiger, direkter Kundenkontakt von Führungskräften aus Marketing und Entwicklung, um Kunden zu beobachten und deren Gedanken aufzunehmen.
  • Eigene Mitarbeiter arbeiten für eine gewisse Zeit an Entwicklungsprojekten oder anderen Tätigkeiten in Kundenunternehmen mit.
  • Beschäftigung von Mitarbeitern aus dem Kundensegment.
  • Beobachtung und Videoaufzeichung von Anwendern bei der Benutzung des Produkts, ggf. auch gezielte Versuche zur Simulation von Anwendungssituationen.
  • Betreiben von Anwenderlaboren und Testcentern zur Benutzung durch Kunden.
  • Durchführung von Zukunftsstudien, Trendforschung, Lebensstilanalysen und psychologische Kaufmotivforschung.

Als besonders erfolgversprechend gilt hierbei die Zusammenarbeit mit innovativen Anwendern (Leitkunden, "Lead-User"), die gegenüber anderen Kunden eine Trendset- terrolle spielen (vgl. Abschnitt 7.3.1).

Sammlung und Generierung von Ideen zur Lösung der Kundenprobleme

Für die identifizierten Kundenprobleme sind möglichst originelle und neuartige Problemlösungsideen zu entwickeln. Originalität und Neuartigkeit können durch den Einsatz von Kreativitätstechniken angehoben werden. Die bekanntesten und verbreitetsten Kreativitätstechniken sind Brainstorming und Brainwriting sowie die Methode des morphologischen Kastens. Weitere für die Innovationsideenfindung wichtige Techniken sind beispielsweise, die Synektik, die Reizwortanalyse und Methoden der visuellen Konfrontation. Diese Methoden wurden bereits bei den grundlegenden Problemlösungstechniken in Abschnitt 2.3 behandelt.

Bei der Sammlung und Generierung von Produktideen ist das Informationsmanagement an den Nahtstellen zwischen Marketing, F&E und Fertigung von besonderer Bedeutung. Häufig existieren Informationen über ungelöste Kundenprobleme im Marketing, Ideen zum Einsatz neuer Technologien in der F&E-Abteilung und Ideen zur Verfahrensverbesserung in der Fertigung. Erst der funktionsübergreifende Informationsaustausch führt zu erfolgversprechenden Innovationsvorschlägen.

Am Ende der Ideensuche liegen in der Regel eine große Zahl von Ideen mit unterschiedlichen Konkretisierungsgraden vor: Reine Problembeschreibungen, einzelne mehr oder weniger konkrete Produktideen und umfassende Konzepte, die eine Vielzahl von Einzelideen beinhalten.

Dieses Konglomerat von Ideen ist als Ergebnis der Ideenfindung zu sinnvollen Innovationsvorschlägen aufzubereiten. Die Vorschläge sollten auf ein bis zwei Seiten Aussa- gen zu folgenden Punkten enthalten:

  • Beschreibung eines vollständigen Problemlösungsangebots und dessen einzelner Bestandteile, ggf. auch mit ergänzenden Dienstleistungen.
  • Aufzeigen möglicher Ausbaustrategien für die fernere Zukunft (z. B. Ausbau zu einer Produktfamilie, technische und marktbezogene Entwicklungsperspektiven).
  • Hinweise auf mögliche Realisierungsstrategien (Eigenentwicklung, Lizenznahme, Kooperation mit anderen Unternehmen etc.).
  • Aufzeigen verbindender Elemente (Synergieeffekte) zwischen dem neuen Vorschlag und den bisherigen Aktivitäten.
Beispiel: Ideenfindung zur Innovationsplanung Hirschmann

Die Ideenfindung im Rahmen dieses Projektes orientierte sich an den vorher festgelegten Suchfeldern. Zur Ideensuche wurden verschiedene Wege beschritten:

  • Ideenfindungssitzungen unter Anwendung von Brainstorming, Brainwriting (Methode 635), Reizwortanalyse und morphologischem Kasten:
    • Eine suchfeldübergreifende Sitzung mit Hirschmann-Geschäftsleitung, Projektteam und den Beratern des beigezogenen Forschungsinstituts
    • Je eine interne Sitzung mit Hirschmann-Mitarbeitern zu jedem Suchfeld
    • Je eine externe Sitzung mit Experten des Forschungsinstituts zu jedem Suchfeld.
  • Messebesuche im In- und Ausland
  • Durchleuchtung von in den Suchfeldern tätigen Unternehmen und deren Sortimenten.

Insgesamt wurden auf diese Weise rund 400 sehr unterschiedliche Ideen für neue Hirschmann-Produkte gefunden, wie etwa Raumklimaüberwachung durch Farbanzeige, Systeme zur Datensicherung in Unternehmen, Gasdrucküberwachung, Fernanzeige des Reifendrucks, elektronische Briefkastenanzeiger, Sicherheitsschlösser, Schwimmfahrrad oder ein TV-Spielgerät. Dabei wurden viele Ideen bereits sehr konkret ausgearbeitet. Beispielsweise wurden 13 verschiedene Ansätze zur Fernanzeige des Reifendrucks gefunden.

Am Ende der Ideenfindungsphase wurde eine Bereinigung des Ideenmaterials vorgenommen. Dabei wurden verwandte Ideen zu Produktfamilien zusammengefaßt sowie Doppelnennungen und offensichtlicher Unsinn ausgeschieden. Die Ideenanzahl wurde dadurch von 400 Ideen auf 200 Ideen halbiert, die zu Produktvorschlägen ausgearbeitet wurden.

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